Von 0 auf 50.000 Einwohner: So ist Wiener Neustadt entstanden und gewachsen
Wie aus einer Idee im Jahr 1192 unsere Stadt fürs Leben im Jahr 2025 geworden ist. Museumsdirektorin Julia Schlager erklärt, warum Wiener Neustadt genau an dieser Stelle gebaut wurde und was es groß machte.
Wir schreiben das späte 12. Jahrhundert, inmitten der Ebene des südöstlichen Steinfeldes, am Ostrand des römisch-deutschen Reiches. Babenberger-Herzog Leopold V. fasst den Entschluss, eine stark befestigte Stadt zu gründen, als Bollwerk gegen die Bedrohung aus Ungarn. „Es war damals normal, dass Städte quasi im Niemandsland gegründet wurden. Baden, Bad Fischau und Neunkirchen hat es zu dieser Zeit schon gegeben und unsere Stadt war als Teil der Befestigungslinie zwischen dem Rosalien- und Leithagebirge gedacht”, erklärt Julia Schlager, Direktorin im Museum St. Peter an der Sperr.
„Neuenstat“ war von Anfang an eine landesfürstliche Stadt und die ersten Bewohner waren hauptsächlich Handwerker, die damals durch die Lande gezogen sind, um ihre Dienste anzubieten. „Zum Beispiel aus Italien, das sehen wir heute noch an der Bautechnik der Stadtmauer.” 1200 wurde auch bereits mit dem Bau der spätromanischen Pfarrkirche „Zu unserer Lieben Frau“, unserem Dom, begonnen. Aber auch Menschen aus der Umgebung siedelten sich an. „Eine Stadt hat Schutz und Komfort geboten. Besonders Leibeigene versuchten ihr Glück, denn Stadtluft macht frei. Wenn sie ein Jahr und einen Tag versteckt bleiben konnten, waren sie freie Menschen”, so Julia Schlager.
Unter Friedrich III. blühte Wiener Neustadt als Residenzstadt auf. Die Anwesenheit des Hofes zog viele Handwerker und Künstler an, die Zahl der Bevölkerung wuchs auf bis 10.000 Einwohner. In der Burg wurde 1459 Friedrichs berühmter Sohn, der spätere Kaiser Maximilian I., geboren.
Ein Porträt von Kaiser Friedrich III. im Museum St. Peter an der Sperr
Nach Glanz und Glorie fiel Wiener Neustadt im 16. Jahrhundert in einen Dornröschenschlaf, der bis ins 18. Jahrhundert dauern sollte. Durch zahlreiche kriegerische Auseinandersetzungen waren in Wiener Neustadt hauptsächlich Soldaten einquartiert. „Mit der Gründung der niederländischen Armaturenwerkstatt, die Waffen produzierte, durch Kaiser Ferdinand III. im Jahr 1656 wurden erstmals auch Fachkräfte aus dem Ausland in die Stadt geholt”, so Julia Schlager.
Stadtansichten im Lauf der Jahrhunderte
1752 gründete Maria Theresia in der kaiserlichen Burg zu Wiener Neustadt ein adeliges Kadettenhaus, die Theresianische Militärakademie. Trotz des Zuzugs aus der gesamten Monarchie erholte sich die Stadt nur langsam. Joseph II. löste Ende des 18. Jahrhunderts zahlreiche Klöster auf, in den leeren Häusern siedelten sich Manufakturen und Fabriken an und es wurde versucht, die angeschlagene Wirtschaft wieder anzukurbeln. Eine Zählung um 1805 dokumentiert, wie sehr die Stadt in Mitleidenschaft gezogen war: „Zu der Zeit gab es nur mehr knapp über 5.000 Einwohner in Wiener Neustadt. Die Ursachen waren Kriege, Seuchen, eine schlechte Wirtschaftslage und dann auch noch das Fehlen des Hofes”, erklärt Julia Schlager. Rund 90 Prozent der Bevölkerung waren „Einheimische“, die in der Stadt geschlossenen Ehen waren zu zwei Drittel Partner, die beide in der Stadt geboren worden waren.
Eine der ersten Stadtansichten mit einem Industrie-Schornstein
Der Beginn der Industrialisierung läutete für Wiener Neustadt dann eine neue Ära ein. „Durch die Nähe zu Wien und zum Kaiserhof und die Anbindung an die Südbahn 1841 wurde die Stadt interessant für die Industrie, wie etwa die Lokomotiv-Fabrik, Austro Daimler oder die Flugzeugwerke. Wiener Neustadt wurde eine florierende Arbeiterstadt”, sagt Julia Schlager. „Seit 1850 gibt es übrigens auch Aufzeichnungen aus dem Meldearchiv und die belegen für dieses Jahr eine Einwohnerzahl von 13.000.” Die Stadt wuchs wieder und auch die Zusammensetzung der Bevölkerung änderte sich: Zuwanderer kamen nicht nur aus den umliegenden niederösterreichischen Bezirken, aus Wien und der Steiermark, sondern vor allem aus Böhmen, Mähren und Ungarn. Im Jahr 1910 war die Zahl der Bewohner bereits auf rund 33.000 gestiegen.
Die Wiener Neustädter Lokomotivfabrik war die größte Lokomotiv- und Maschinenfabrik in der Österreichisch-Ungarischen Monarchie.
Nach dem 2. Weltkrieg und dem Wiederaufbau der am schwersten zerstörten Stadt Österreichs, änderte sich der Fokus in der Stadtentwicklung. Von kriegswichtiger Industrie hin zu Bildung, Forschung und Kleinindustrie. „Und da stehen wir auch heute noch als Schul-, Bildungs- und Forschungsstadt mit Einrichtungen wie Österreichs erster und größter Fachhochschule, MedAustron, dem Technologie-und Forschungszentrum und dem Businesspark Civitas Nova, um nur einige zu nennen. Und unsere Lage ist perfekt – damals wie auch heute. In 30 Minuten ist man in Wien, im nächsten Skigebiet und am Neusiedlersee”, sagt Julia Schlager. „Ein Kriterium für das Wachsen einer Stadt ist eine gewisse Grundattraktivität. Dort, wo Menschen Möglichkeiten haben, können Städte wachsen und das tun wir.”
Ein Tipp für alle, die mehr über die Geschichte unserer Stadt erfahren wollen: die Schausammlung „Neu Stadt erzählen” im Museum St. Peter an der Sperr.
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